Der Weihnachtsbaum

Montag, 24. Dezember 2007

Oh Tannenbaum

Nachdem meine Schwester mit ihrem Freund gestern Nacht aus Berlin ankam, der Baum aufgestellt und geschmückt ist, gibt es für mein Empfinden viel zu spät endlich etwas zu Essen. Alle sitzen am schön gedeckten Tisch und versuchen festlich zu wirken. Meinen Vater scheint das wenig zu interessieren, denn er sitzt im Jogginganzug am Tisch, raucht eine Zigarette an der anderen und erzählt denselben unpassenden Quatsch wie immer.
Ich selbst kümmere mich hauptsächlich um meinen besten Freund, den Rotwein.
Nachdem wir alle Schüsseln, Teller und Schalen geleert haben, geht es zur Bescherung mit vorhergehendem Gesang der Familie:


„Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter…..“
Ich sitze mit meiner Familie im Wohnzimmer meiner Eltern und lausche den Klängen ihrer Stimmen, wie sie am dekorierten Baum sitzen und Lieder singen. Ich sitze zwischen meinen beiden Schwestern, bewege die Lippen so, dass es so aussieht, als sänge ich mit und überlege mir dabei, welcher bekiffte Kirchenorganist diesen Text wohl schrieb. Ich bin hier im Schwarzwald aufgewachsen und habe von Kindheit an täglich Tannen gesehen. Da gibt es die Blautanne, die Nordmannstanne, Mischtannen und vieles mehr. Trotz dieser großen Erfahrung mit diesen Bäumen ist mir keine Tanne bekannt, die Blätter trägt. Als die Anderen heute Mittag mit Christbaumschmücken beschäftigt waren, habe ich das mal gegoogelt und nicht mal in Tschernobyl sind nach `84 solche blättrigen Tannen gewachsen. Generation um Generation bringt ihren Kindern also solch einen Unfug bei und ärgert sich dann aber über den amerikanischen Weihnachtsmann, den ich auch ich selbst bekämpfe, weil ich diesen dicken Coca-Cola-Kerl nicht in meinem Haus haben will und schon gar nicht in den Köpfen meiner Kinder.
„Weiß jemand die vierte Strophe von Oh du fröhliche?“ fragt meine Schwester nach.
Mein Vater antwortet: „Nein, aber ich habe ein super Gedicht.“ „Wenn du das vorträgst, hau ich hier ab!“ entgegnet meine Mutter gereizt und sehr energisch. „Der Weihnachtsbaum…“ Meine Mutter unterbricht meinen Vater, „ SEI JETZT STILL!“
Meine ältere Schwester versucht die Situation zu deeskalieren und fragt vorsichtig: „ Was könnten wir denn noch singen?“ „Habt ihr nicht vor Jahren mal Flötespielen gelernt? Spielt doch mal was vor! Ich würde euch ja mit meinem Akkordeon begleiten, aber es ist leider kaputt.“
Das Akkordeon ist seit 35 Jahren kaputt und außerdem kannst du doch eh nicht spielen.
Können wir nicht endlich mit dem Quatsch aufhören, die dämlichen Geschenke auspacken, so tun als freuten wir uns über den Mist, den wir bekommen, dass ich endlich zu meinen Freunden in die Kneipe kann?
Das würde ich gerne antworten, stattdessen schweige ich und beobachte das alljährliche Schauspiel zum 22. Mal und schwöre mir selbst, dass meine Kinder so etwas nie mitmachen müssen. Wir werden alle zusammen bestimmen, wie unser Weihnachten aussehen soll und es dann auch genau so feiern. Meine einzige Forderung wird sein, dass ich nicht singen muss.


Nach sieben weiteren „fröhlichen Weihnachtsliedern“ packen wir nun endlich die Geschenke aus. Nicht eines der vielen Geschenke ist wirklich sinnvoll, aber alle tun so, als hätte man sich genau dieses Brettspiel, diesen Pullover und diese Musical-Eintrittskarte schon lange gewünscht.
Mein Vater erzählt ununterbrochen langweilige Geschichten, die keinen Interessieren weil sie:
A: von Menschen handeln, die keiner kennt und
B: völlig langweilig, unangemessen oder eklig sind.

So sitzen wir noch eine Weile da und sagen Sätze wie: „Aber das Essen war wirklich wieder traumhaft, Mutter“ „Ja? Ich finde, dass die Sauce zu trocken war!“ Auch so ein Satz, den ich nicht verstehe. Wie kann Sauce zu trocken sein? Hauptsache was gesagt…

Dann macht sich meine Mutter endlich auf den Weg zur Kirche, was ich als Anlass nehme, in meinen „Tempel“ zu gehen.

Ich freue mich schon auf Morgen, da wiederholen wir den Spaß mit allen Tanten und Onkeln...

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