Von Schatztruhen und Weihnachtsschmuck

Donnerstag, 15. November 2007

...

Seit dieser Woche schneit es im Süden Deutschlands. Ich finde es ekelig, kalt und vor allem nass. Aber anscheinend freuen sich alle Anderen über "die weiße Pracht" und alle bekommen sofort dieses lächerliche Weihnachtsgrinsen. So kämpfte ich mich heute Nachmittag durch die Innenstadt, weil ich noch ein paar Dinge besorgen musste. Mitten im Schneesturm, der mir vorkommt, als wäre er einen Beitrag bei den RTL-News wert, sehe ich ein total verliebtes Paar, das sich genüsslich küsst, lange küsst. Mitten in der Stadt, mitten im RTL-News-Schneesturm. Da ich vom schlechten Wetter schon den ganzen Tag angenervt bin und ich es außerdem belästigend finde, dass die das mitten in der Fußgängerzone machen müssen, konnte ich mir ein lautes "wuuääähh" nicht verkneifen, als ich vorbei lief. Die beiden drehten sich um und riefen mir ein "du bist ja nur neidisch" hinterher, gleichzeitig, wie im Schulchor. Ich blieb stehen, drehte mich um und sagte: "Nein, aber ihr solltet neidisch auf mich sein, ICH HABE EINE WOHNUNG! MIT TÜR!" Ich drehte mich um und lief weiter durch den Matsch zum Buchladen. Als ich auf dem Weg zu meinem Auto im Kiosk noch Zigaretten kaufen wollte, sah ich das Titel-Thema einer Zeitschrift: "Glücklich durch den Winter! Noch vor dem Weihnachtsfest den Traumpartner finden!" Ich sage "wuuuähh", aber nur leise, dass mich die Verkäuferin nicht für Verrückt erklärt und mir dann vielleicht keine Gauloises verkaufen will, sondern ne Zeitschrift über Psychologie und Selbstheilung. Auf dem Heimweg sehe ich, wie ein paar Mitarbeiter der AOK-Hauptstelle Ihr großes Gebäude mit Weihnachtsdeko schmücken. "wuuuähh"
Was ist nur los mit den Leuten!? Im März suchen sie einen Partner wegen Ihrer Frühlingsgefühle, im Sommer gehen sie mit Ihren Partnern in Urlaub und im November suchen Sie wieder jemanden, für die gemütlichen Abende zuhause.
Ich erinnere mich noch an die letzte Weihnachtsfeier, die wir für unsere Freunde immer am 1. Weihnachtsfeiertag veranstalten, weil da alle, die nicht mehr hier wohnen, bei Ihren Eltern zu Besuch sind. Da saßen sie alle, schick angezogen, Partner immer fest an der Hand haltend und quatschten über Ihre dämlichen und langweiligen Erlebnisse. "Vanessa und ich waren letzte Woche zum Skifahren in Flims." "Ja, war echt schön da, aber mir war so kalt, dass der Ralph mich wärmen musste! Danke Schatz!" *Küsschen* "Ach Schatz, das hab ich doch gerne gemacht!" *Küsschen* "Und wie geht es dir, Kie?" "Ja, ähm, mir geht es super. Ich habe nen guten Job, wohne sehr bequem und bin eigentlich fast immer am Feiern." "Früher habe ich auch sehr viel gefeiert, aber Vanessa und ich machen uns in letzter Zeit lieber mal nen gemütlichen Abend, nach der vielen Arbeit. Bei mir ist es gerade so stressig, da hab ich gar keine Energie mehr um....." Ich denke mir: "Warum erzählst du mir diesen ganzen Schwachsinn eigentlich? 1. Hab ich selbst genug Arbeit, oder glaubst du, wir leben alle von Mutti? 2. Ist nicht die Arbeit das Problem, sondern eure spießige Beziehung!"
Oh, jetzt habe ich den restlichen Vortrag über Ralphs langweiliges Dasein verpasst. Egal!
Ich: " ja ja, so is es halt..."
Vanessa: " Wir haben uns überlegt, dass wir im Sommer heiraten wollen, du bist also schon mal eingeladen!" Vanessa strahlt mich an und wartet auf eine Antwort. "Ich geh mal aufn Balkon, eine rauchen." Mehr konnte ich dazu leider nicht sagen, denn das war echt zu viel.
Ich stehe allein auf dem Balkon, gieße mir einen Glühwein ein und zünde mir dann eine Zigarette an. Simone kam mit Ihrem Freund.....was weiß ich, wie der hieß, auch ein Schatz halt...nach draußen. "Wir werden an Silvester das Rauchen aufgeben." "aha" "Ist doch toll, oder?" "Ja, ich freu mich für euch!" "Also wir freuen uns wirklich drauf, oder Schatz?" "Ja Schatz, das wird super!" Wie durch seid ihr eigentlich? Das ist, wie wenn man sich darauf freut, dass man nächste Woche hungern muss....egal Simone hatte eine Art, die Leute über persönliches Auszuquetschen, dass man sich danach immer scheiße fühlte, so auch an diesem Abend:
- "Und Kie, wie sieht es bei dir in Sachen Liebe aus? Hast deine Traumfrau gefunden?"
-"Simone, es gibt keine Traumfrau! Beziehung ist wie der
Stimmzettel einer Bundestagswahl, man nimmt immer das kleinere Übel!"
-"Haha, der Kie ist immer so witzig, oder Schatz?"
-"Ja, deswegen ist er so beliebt" "Im ernst jetzt, wem gilt deine Liebe?"
-"Simone, ich liebe mich immer noch selbst am meisten, wie immer..."
- "Es gibt wirklich Keine, die dich interessiert?"
- "Nein, ich fühle mich sehr wohl, wie es ist."
- "Aber vermisst du nicht die Nähe? Jemanden, dem du vertrauen kannst? Die Zuneigung, den Sex?"
Man kann niemandem Vertrauen und ich habe wahrscheinlich mehr Sex, als Ihr. Nur hab ich kein Petting, wenn andere neben mir sitzen
-"Eigentlich vermisse ich gar nichts, sonst würde ich sicher etwas an meiner Situation ändern."
- "Na ja, wir gehen mal wieder rein."
- "Hier Schatz, ich halte dir die Tür auf!"
- "Danke! Ich liebe dich!" *Küsschen*

WUUUUÄÄÄHHHHHH

Ich blieb noch eine Weile auf dem Balkon und goss mir einen weiteren Glühwein ein.

Was ist das nur für eine schräge Nummer mit diesen Schätzen?
Es ist doch demütigend, wenn man so genannt wird, wie 20 Andere, die auf der Party sind. Aber wahrscheinlich ist das eher ein Machtspiel. So kann man mit einem Wort ausdrücken, dass es "Mein Schatz" ist und seinem "Schatz mitteilen, dass er nur noch Teil einer Institution "Beziehung" ist und kein eigener Mensch.“Wir sind total glücklich, stimmt´s Schatz?" Da lernen sich zwei eigenständige Menschen kennen, wir nennen Sie Petra und Peter. Sie unterhalten sich und finden sich nett. Kommen sich ein wenig näher, treffen sich ein paar Mal. Sie gehen gemeinsam auf Partys, ins Kino, verabreden sich zum Essen. Eines Abends kommt es zu dem Entscheidenden Moment, indem Peter sich in Petras Schlafzimmer entkleidet, er legt die Klamotten selbstverständlich ordentlich über einen Stuhl, und während dieser entscheidenden Nacht, legt Peter auch seinen wohlklingenden Vornamen ab, faltet ihn ordentlich und legt ihn zu den Klamotten über den Stuhl. Am nächsten Morgen zieht er sich das weiße Schatz-Hemdchen an, das hinten offen ist, um sein Rückgrat, seine eigenen Gedanken und seine Persönlichkeit zu entfernen und Ex-Petra, jetzt auch "Schatz" verstaut die beiden Vornamen in einer Kommode auf dem Speicher.
Diese Namen werden von dort an nur noch dazu angewendet, um Schatz an die schlimme Zeit vor Ihrer Beziehung zu erinnern, z.B. wenn Schatz versehentlich mal leicht angetrunken nach Hause kommt, oder wieder heimlich geraucht hat.
Wenn man erst mal Schatz geworden ist, entwickelt man ganz neue Interessen, so geht man z.B. nur noch auf Partys, um mit anderen Schatz-Paaren um die Wette zu knutschen und schatzen. Während dem Luftholen erzählt man von gemeinsamen Urlauben oder quatscht eben davon, dass man gar nicht mehr oft weggeht, weil die Arbeit so anstrengend ist. Eigentlich wissen die Schätze selbst, dass die Arbeit daran nicht Schuld ist, aber sie versuchen sich damit ihre Schatz-Truhe schön zu reden.




Während ich vor meine Garage fahre, wird mir klar, dass die nächste Weihnachtsfeier bald wieder vor der Tür steht. Auf dem Heimweg war ich so in Schatz-Gedanken verfallen, dass ich vergessen hatte, dass ich eigentlich noch tanken wollte. Ich stelle den Motor trotzdem ab, laufe zur Haustür und öffne Sie. Auf der Treppe rufe ich laut: "Schaahaaatz, ich bin Zuhause! Und ich habe wirklich nicht wieder heimlich im Büro geraucht!" Dann muss ich laut lachen.....

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