Montag, 2. Februar 2009

Wo bitte geht es hier zum Flughafen?

„Schwitzen sie auch immer so im Flugzeug?“ Ich sehe von meinem Buch auf und sehe ein dickes, rundes, schweißgebadetes, dunkelrotes Männergesicht vor mir zwischen den Sitzreihen hindurch blicken. „Nein, eigentlich selten. Zum Glück gibt es ja Lüftungen hier, die man individuell einstellen kann.“ Ich schaue zurück auf mein Buch und versuche die Zeile wieder zu finden, die ich zuletzt gelesen hatte. „Fliegen sie oft?“ Ich schlage das Buch zu, verstaue es in der Sitztasche vor mir und versuche dabei möglichst genervt zu wirken. „Fliegen sie allein in die Türkei?“ Frage ich gegen, ohne seine Frage zu beantworten. „Nein, mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Diese dämliche Fluggesellschaft hat es ja nicht geschafft, uns alle zusammen zu setzen.“ „Meine Freundin sitzt auch irgendwo da hinten.“ Antworte ich. „Aber es sind ja nur 3 Stunden, das kann man schon ertragen. Wir werden ja noch viel Zeit zusammen verbringen, nachdem wir gelandet sind.“ Er sieht das allerdings ganz anders und erklärt mir, dass er sich darüber riesig ärgert und es ihm den ganzen Urlaub versaue. „Ich finde es zwar auch seltsam, dass sie beim einchecken nicht einfach von vorne nach hinten durchnummeriert haben, aber eigentlich ist es mir jetzt auch zu blöde, mich darüber zu muckieren. Schließlich bin ich auf dem Weg in den Urlaub und da will ich mich einfach ein wenig entspannen. Ich rede eigentlich sowieso nicht gerne im Flugzeug.“ Ich hoffe, er versteht den Wink. „Hier kann man doch interessante Menschen kennen lernen!“ Er verstand also nicht. „Oder lästige.“ Wurde ich etwas deutlicher. Kommentarlos drehte er sich um. Ich nehme mein Buch wieder in die Hand und lese weiter, wo ich aufgehört hatte. „Liebe Fluggäste, auf dem Weg von Frankfurt nach Antalya, ich heiße sie herzlich Willkommen in unserem Flugzeug…“ Ich versuche meine Ohren auszuschalten und lese weiter. Frank Goosens neuste Geschichte beginnt gerade interessant zu werden. Das Flugzeug bewegt sich langsam über das Rollfeld. Es dauert relativ lange, bis wir die Startbahn erreicht haben. Das Licht in der Fahrgastkabine wird gedämmt, ein paar englische Anweisungen an das Bordpersonal werden durchgegeben, dann werden die Geräusche des Flugzeuges lauter, die Turbinen starten. Das Flugzeug rollt über die Startbahn, beschleunigt schnell, ich werde in den Sitz gepresst. Ich sehe eine Weile durch das Fenster nach draußen und beobachte, wie Frankfurt immer kleiner wird. Während ich mich weiter meinem Buch widme, fängt ein türkisch aussehender, aber perfekt deutsch (mit hessischem Dialekt) sprechender etwa 20 Jahre alter Mann sich mit einer typisch deutschen Urlauberin, etwa mitte 50, an, sich zu unterhalten. Sie sprechen über die Gegend um Antalya und den Tourismus. Er prahlt damit, dass er in Antalya wohne und in Deutschland Urlaub gemacht habe. Er sei ganz groß im Geschäft, sehr erfolgreich und aufstrebend. Ich schaue mir den erfolgreichen Herren neben mir im Sitz an und erinnere mich, ihn am Check-In gesehen zu haben. Sein Begleiter trug einen Adidas-Jogging-Anzug mit der Aufschrift eines deutschen Regional-Fußball –Vereins auf dem Rücken. „Der wohnt also in der Türkei?!“ denk ich mir und wundere mich ein wenig. Er erzählt weiter von seinem traumhaften Leben. Seine russische Frau und er haben ein Kind und seine Eltern holen ihn vom Flughafen in Antalya ab und er hat ihnen in der Türkei ein Haus gekauft. „Also wenn er jetzt gleich noch erzählt, dass er Bürgermeister in der Türkei ist, hau ich ihm Eine rein.“ Denke ich mir, während ich versuche mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren. Leider werde ich gleich wieder von der Flugbegleiterin (Das Wort Stewardess darf ja nicht mehr benutzt werden) unterbrochen: „Was möchten sie trinken?“ Ich bestelle ein Glas Sekt, meine beiden Nachbarn jeweils einen Tomatensaft. Ich würde wirklich gerne wissen, wer von diesen Leuten Tomatensaft zuhause hat oder es in Restaurants bestellt. Kein Mensch trinkt doch, außer im Flugzeug, Tomatensaft. Woher kommt der Quatsch nur? Und warum wird das überhaupt im Flugzeug angeboten? Wenn es keinen gäbe, bestellte ihn doch auch keiner, oder? Einer meiner Bekannten ist Lebensmitteltechniker, vielleicht sollte ich den mal anrufen und fragen, ob Tomatensaft in 10 000Metern Höhe anders schmeckt, als aus dem heimischen Kühlschrank. Der Billigsekt jedenfalls schmeckt genau so billig, wie in 240 Metern. Ich hole meinen Notizblock aus der Tasche und notiere: „Markus anrufen: Tomatensaft bei 10 000Metern Höhe.“
Das Essen wird gereicht. Eigentlich habe ich ja gar keinen Hunger, weil ich erst vor zwei Stunden sehr ausgiebig bei meiner Tante und ihrer pakistanischen Familie gegessen habe, aber zum Zeitvertreib lasse ich mir das Tablett reichen, auf dem sich einzeln Abgepacktes befindet. Mit großer Mühe versuche ich alles auszupacken, ohne es im ganzen Flugzeug zu verteilen. MIR gelingt das auch recht gut. Meine Sitznachbarin zur Linken stellt sich etwas ungeschickter an und schießt mir mit ihrer Gabel versehentlich etwas Karottensalat an die Schläfe. „Oh nein, das tut mir fürchterlich leid!“ „Kein Problem, mir schmeckt der Salat auch nicht besonders, aber die nehmen den auch wieder mit, wenn sie ihn nicht wollen“ Antworte ich mit einem Zwinkern. „Es tut mir wirklich sehr leid, ich bin bei so was immer so ungeschickt, besonders wenn ich nervös bin.“ Ich nicke grinsend, den Blick über meinem Tablett. Ohne, dass ich auch nur eine Spur an Interesse habe, warum sie denn so nervös ist, erklärt sie es mir ausführlich. Die Tabletts werden wieder abgeräumt. Ich versuche ein wenig zu schlafen. Etwa 20 Minuten vor der Landung wache ich wieder auf. Ich bewege meine Augen müde über das, was ich um mich sehen kann. Der Kopf meiner Nebensitzerin liegt auf meiner linken Schulter. Ich schließe die Augen wieder, um vorzutäuschen, meine Schulter im Schlaf, also unkontrolliert zu bewegen und spiele dann den Aufwachenden. Sie schreckt auf, sieht mich mit kleinen Augen an und ihr Gesicht läuft sofort tiefrot an. „Oh man, was mache ich nur wieder?“ „Ich glaube sie haben geschlafen. Ich hoffe, ich habe sie nicht dabei gestört.“ „Es ist mir so unangenehm, dass ich auf ihren Schultern lag“ Ich reagiere gelassen und antworte, es sei mir so leichter gefallen, dass ich nicht neben meiner Freundin sitzen konnte.

Das Licht in der Kabine wird wieder abgedunkelt, der Flieger sinkt rasch und setzt schließlich auf türkischem Boden auf. Noch während wir über die Landebahn rollen, beginnen die Passagiere zu klatschen.
Was soll dieser Unfug? Der Mann am Steuer und sein Copilot machen doch nur ihren Job. Wenn er trotz seiner 2,3Promille noch auf dem Balkon vor meinem Hotelzimmer landen würde, wäre ich begeistert aber aufgrund der regulären Ausführung seiner Tätigkeit verspüre ich keinen Drang, ihm zu applaudieren.

Wir steigen aus dem Flugzeug aus und auf dem Weg zum Kofferband treffe ich meine Freundin wieder. Wir fischen unsere Koffer vom Band und ziehen sie durch das Gedränge hindurch nach draußen. Ein freundlicher Mann bringt uns zu einem Kleinbus und verstaut darin unser Gepäck. Während er den Bus aus der Parklücke buchsiert, sehe ich den erfolgreichen Proll-Anzug und seinen Adidas-Begleiter in einen der Kleinbusse einsteigen, die alle zu den großen Hotelketten gehören. „Ein eigenes Hotel hast du hier auch noch.“ Murmel ich leise vor mich hin. Meine Freundin schaut mich fragend an und während ich ihr alles erzähle, lachen wir über den „Geschäftsmann“ der vielleicht doch nur dick aufgetragen hatte....

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